Wundheilung
Wundheilung ist der physiologische Vorgang, den der Körper einleitet, um einen entstandenen Schaden in seiner Intaktheit zu beheben. Dies geschieht im Rahmen der physiologischen Wundheilungsphasen.
Die Wundheilung ist ein komplexer Prozess, der von einer Reihe von Faktoren beeinflusst wird:
- durch den Betroffenen selbst,
- durch das Umfeld,
- durch das multidisziplinäre Team,
- durch verfügbare Therapien.
Inhaltsverzeichnis
Heilungsmechanismen
Es gibt zwei verschiedene Heilungsmechanismen, die bei einer Entstehung einer Verletzung, vonstatten gehen: Reparatur und Regeneration.
Reparatur
Bei der Reparatur ersetzt der Körper das geschädigte Gewebe durch Bindegewebe; eine Narbe entsteht.
Reparative Wundheilung
Diese finden man bei:
- Primärheilung
- Sekundärheilung
- Tertiärheilung
Diese Wundheilungsarten führen immer zur Bildung von Narbengewebe.
Regeneration
Bei der Regeneration ersetzt der Körper das geschädigte Gewebe durch den identischen Zelltyp.
Regenerative Wundheilung
Diese findet man bei:
Oberflächlichen Verletzungen
Also solche, bei denen nur die Epidermis betroffen ist und die Basalzellen erhalten sind. Hier kommt es zu einer narbenfreien Ausheilung der Verletzung durch Epithelisierung. Typische Wunden hierfür sind oberflächliche Hautabschürfungen.
Schleimhautverletzungen
Bei Verletzungen der Schleimhaut, werden die zerstörten Zellen durch identische Zellen ersetzt, da es sonst zum Verlust der physiologischen Schleimhautfunktion kommen würde.
Auch im weiblichen Genitale kommt es zu einer regenerativen Wundheilung.
Wundheilungsarten
Die Wundheilungsarten werden in drei Typen unterschieden:
- primäre Wundheilung (Primärheilung)
- sekundäre Wundheilung (Sekundärheilung)
- tertiäre Wundheilung (Tertiärheilung)
Primäre Wundheilung
Unter primärer Wundheilung (auch Primärheilung) versteht man das Aneinanderlegen (Adaptieren) und Schließen einzelner Gewebeschichten mithilfe einer chirurgischen Naht, Klammern, Wundnahtstreifen ("Klammerpflaster") oder Gewebekleber, bzw. durch Kombinationen.
In der Regel ist die primäre Wundheilung nach 6 bis 10 Tagen abgeschlossen. Dabei bildet sich nur minimales Narbengewebe.
Typische primär heilende Wunden sind Operationswunden, aber auch z. B. Schnittwunden oder Platzwunden, die sich sich gut verschließen lassen und somit unproblematisch abheilen.
Sekundäre Wundheilung
Bei einer sekundären Wundheilung (auch Sekundärheilung) muss der Körper die Wunde selbst verschließen. Das heißt, der Defekt heilt Gewebeschicht um Gewebeschicht ab. Das geschieht von unten nach oben und von außen nach innen, und zwar solange, bis der Defekt verschlossen und abgeheilt ist.
Je nach Wundgröße und der entstandenen Gewebeschädigung, ist die Zeit bis zur Abheilung unterschiedlich lang.
Es gibt Wunden, die nur sekundär heilen können.
Sekundäre Wundheilung findet statt bei:
- klaffenden, nicht aneinanderliegenden Wundrändern, die und/oder nekrotisch sind
- nekrotischen oder nekrotisch belegten Wunden
- besonders großen Gewebsdefekten
- Bisswunden
- infizierten Wunden
- Wundinfektionen bei primär verschlossener Wunde
- nach Eröffnung einer Abszesshöhle
- bei fistelnden Prozessen mit Gewebszerfall
- chronischen Wunden, wie Dekubitus, Ulcus cruris venosum usw.
Tertiäre Wundheilung
(auch: Tertiärheilung, verzögerte Primärheilung)
Von einer tertiären Wundheilung spricht man, wenn eine Verletzung nicht sofort primär verschlossen werden kann (siehe primäre Wundheilung), sondern dies zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt.
Beispielsweise bei Schnittverletzungen, die länger als sechs Stunden zurückliegen, ist davon auszugehen, dass die Keimzahl in der Wunde zu hoch ist. Würde die Wunde verschlossen, könnte dies eine Wundinfektion verursachen.
Aus diesem Grund werden solche Wunden 2 bis 3 Tage beobachtet (je nach Wundtyp auch länger). Sollte es innerhalb dieses Zeitraumes zu keiner Infektion gekommen sein, wird die Wunde primär verschlossen.
Physiologische Wundheilungsphasen
Physiologische Wundheilungsphasen sind die Phasen, die eine Wunde bis zur Abheilung durchläuft. Jede Wunde, die heilt, durchläuft verschiedene Phasen der Wundheilung.
Hierbei handelt es sich um 5 Wundheilungsphasen:
- Hämostase (Blutstillung)
- Exsudationsphase (auch Reinigungsphase, Inflammatorische Phase, Entzündungsphase, Substrationsphase)
- Granulationsphase (auch Proliferationsphase)
- Epithelisierungsphase (auch Reparation)
- Regenerationsphase (auch Reifungsphase, Remodulierungsphase, Maturation)
Nicht immer werden alle fünf Phasen beschrieben.
Es gibt Modelle mit 3 Phasen, wobei die Hämostase und die Exsudationsphase zu einer Phase zusammengefasst werden. Ebenso wie die Epithelisierungsphase und die Remodulierungsphase, sodass sich folgende drei Phasen ergeben: Exsudationsphase, Granulationsphase und Remodulierungsphase.
Zudem gibt es Modelle, bei denen 4 Phasen angegeben werden: Exsudationsphase, Granulationsphase, Epithelisierungsphase und Regenerationsphase. Bei dieser Einteilung zählt die Hämostase zur Exsudationsphase.
Hämostase
Hämostase ist auch unter dem Begriff Blutstillung bekannt. Hierbei handelt es sich um eine unmittelbare Reaktion auf eine Verletzung. Der Körper versucht einen Blutverlust so gering wie möglich zu halten. Dies erreicht er, durch verschiedene Mechanismen.
- Zusammenziehen der Kapillaren im Verletzungsgebiet.
- Aktivierung der Gerinnungskaskade.
- Vasokonstriktion (das Zusammenziehen größerer Gefäße), wodurch sich der Blutfluss verlangsamt.
- Erythrozyten und Thrombozyten bilden ein Blutgerinnsel.
- Fibrinfäden schlingen sich um den Thrombozytenpropf und bilden somit die Grundlage für einen Thrombus.
- Der Thrombus bildet die Grundlage für die Haftung, Wanderung und Proliferation für den beginnenden Reparationsprozess.
- Der anfänglichen Vasokonstriktion folgt eine Vasodilatation, die zu einer Hyperämisierung mit Rötung und Überwärmung der Haut führt.
- Durch eine Zunahme der Gefäßpermeabilität kommt es zur Entstehung eines Wundödems.
- Thrombozyten sezernieren zahlreiche Wachstumsfaktoren.
Exsudationsphase
Weitere Begrifflichkeiten für die Exsudationsphase sind Reinigungsphase oder inflammatorische Phase.
- Es kommt zu einer starken Exsudation.
- Ablaufende Entzündungsreaktion (Wichtig: Eine Entzündungsreaktion ist nicht gleichzusetzen mit einer Infektion!).
- Es folgt eine Einwanderung verschiedener Leukozyten, wie Makrophagen, Granulozyten, später auch Monozyten und Lymphozyten.
- Makrophagen und Granulozyten übernehmen die Keimabwehr und den Abbau von Zelltrümmern durch Phagozytose. Dadurch kommt es zu einer aktiven Wundreinigung (Autolyse).
- Es besteht eine gesteigerte Zellaktivität
- Abgestorbene Leukozyten setzten proteolytische (eiweißspaltende) Enzyme frei
Bei immunabwehrgeschwächten Patienten kommt es zu einer unterdrückten bzw. abgeschwächten oder verzögerten Entzündungsreaktion (Inflammation).
Granulationsphase
Auch Proliferationsphase genannt.
- Aufbau von Granulationsgewebe (gefäß-, zell- und kollagenreich) durch Fibroblasten. Es kommt zur Defektfüllung.
- Es findet eine Neubildung von Gefäßen statt, die sog. Neoangiogenese.
- Die Exsudation lässt nach.
- Durch Beteiligung von Myofibroblasten kommt es zur Wundkontraktion, die dazu beiträgt, dass sich die Wundfläche verkleinert.
- Beginnende Epithelisierung vom Wundrand aus.
- Kollagenaufbau durch Fibroblasten ("Bauarbeiter der Wunde").
- Makrophagen setzen kontinuierlich Wachstumsfaktoren frei. Diese sind wichtig für die Regulation und Stimulation des Gewebeaufbaus.
Epithelisierungsphase
Ist zudem unter dem Begriff Reparation bekannt.
- Die Exsudation lässt weiter nach, sodass es zur Abtrocknung des Granulationsgewebes kommt.
- Neues Epithel bildet sich und überdeckt die Wunde vom Wundrand aus.
- Die neugebildeten Kollagenfasern reifen aus.
- Es entsteht ein erstes Narbengewebe.
- Die Wundkontraktion schreitet weiter fort. (Dadurch wird das später endgültig ausgebildete Narbenareal immer deutlich kleiner sein, als die ursprüngliche Wundgröße.)
- Migration, Proliferation und Differenzierung von Keratinozyten.
Regenerationsphase
Diese Phase wird auch Remodulierungsphase, Maturation oder Reifungsphase genannt.
- In dieser Phase bildet sich das endgültige Narbengewebe.
- Es kommt zur Verstärkung und Reorganisation der Kollagenfasern, mit Ausbildung einer zell- und gefäßarmen Narbe (mit Verlust der Hautanhangsorgange)
- Eine kapillare Regression findet statt, d. h. nicht mehr benötigte Kapillaren werden zurückgebildet.
- Ausbildung der Belastungsstabilität des Gewebes.
- Wichtig: Narbengewebe verfügt nur noch über max. 80% der ursprünglichen Belastbarkeit von intaktem Gewebe!
Wie lange eine Wunde benötigt, um zu verheilen, hängt von der Wundgröße und -tiefe ab. Zudem ist es abhängig vom jeweiligen Zustand des Betroffenen. Bei Personen mit einem schlechten Immunstatus, laufen die benötigten, immungetriggerten Wundheilungsvorgänge abgeschwächt oder verzögert ab, wodurch sich die Abheilungszeit verlängert.
Wundheilungsbeeinflussende Faktoren
Hierbei handelt es sich um Faktoren, die direkt oder indirekt einen Einfluss auf die Wundheilung ausüben.
Adipositas
Starkes Übergewicht führt zu unterschiedlichen Situationen, die die Wundheilung beeinflussen. Bei adipösen Patienten verschlechtert sich die Sauerstoffversorgung in allen Geweben, da die Auswurfleistung des Herzens für eine adäquate Durchblutung nicht ausreicht. Dies hat somit Auswirkungen auf die Wundheilung, da diese von einer guten Blutzufuhr abhängig ist, die Sauerstoff und Nährstoffe ins Gewebe bringt.
Postoperativ erhöht sich bei adipösen/batriatrischen Patienten das Risiko für eine Wundheilungsstörungen, z. B. in Form einer Dehiszenz oder auch durch die Entstehung von Wundinfektionen, insbesondere, wenn sich die Nähte in Hautfalten befinden oder von diesen bedeckt werden.
Allgemeinzustand
Je schlechter der Allgemeinzustand ist, desto schlechter ist auch die Wundheilung. Das liegt zum einen, dass der Körper nicht in der Lage ist, die energiereichen Wundheilungsvorgänge aufrechtzuerhalten, zum anderen ist das Immunsystem beeinträchtigt, welches für die Steuerung der Wundheilungsprozesse wichtig ist.
Erst wenn sich der Allgemeinzustand verbessert, was unter Umständen nicht mehr möglich ist (je nach Erkrankung), verbessert sich auch die Wundheilung und die daraus resultierende Wundsituation wieder.
Alter
Im Alter nehmen bei jedem Menschen sowohl die Zellteilungsrate als auch die Regenerationsfähigkeit ab, sodass ich die Wundheilung verzögert. Dazu kommt, dass die Hautelastizität und die Kollagenerneuerung reduziert sind, was die Wundheilung ebenso negativ beeinflusst. Zum einen während der Granulationsphase, aber auch während der Epithelisierungsphase.
Zudem ist davon auszugehen, dass bei den meisten alten Menschen eine Multimorbidität besteht, d. h. in der Regel liegen mehrere unterschiedliche Erkrankungen gleichzeitig, wie z. B. Stoffwechselerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Durchblutungsstörungen. Aber auch die altersbedingten Veränderungen des Immunsystems, des Atmungssystems, des Ernährungszustandes, des Flüssigkeitshaushaltes und des Hormonhaushaltes, nehmen Einfluss auf die Wundheilungsvorgänge.
Körperliches Alter | Wundalter | Seneszenz |
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Wundalter
Beim Wundalter spricht man vom Zeitraum von der Entstehung bis zum aktuellen Zustand.
Je älter eine Wunde ist, desto länger benötigt sie in der Regel für die Abheilung. Das heißt, bei der Therapie einer älteren Wunde, ist man bestrebt, die physiologische Wundheilung wieder in geregelte Bahnen zu führen, die sie aufgrund ihrer Chronifizierung verlassen hat.
Zellalter
Häufig finden sich in chronischen Wunden sog. senezente Zellpopulationen. Darunter versteht man die Überalterung von Zellen, die sich aufgrund dessen nicht mehr teilen und auch ihre Arbeit nicht mehr verrichten. Insbesondere die Seneszenz von Fibroblasten, denjenigen Zellen, die für die Kollagenbildung zuständig sind, kommt es zu einer Verzögerung oder gar Stagnation der Wundheilung.
Mögliche Gründe für eine Seneszenz sind beispielsweise Malnutrition und der daraus resultierende Eiweißmangel, oxidativer Stress, chronische Entzündungsprozesse.
Austrocknung
Zellen sind bei trockenen Wundverhältnissen nicht beweglich!
= Migration ist vermindert/verhindert.
= alle Vorgänge sind verzögert.
Blutzucker
Betroffene mit einem Diabetes mellitus leiden häufig an Wundheilungsstörungen und auch Wundinfektionen, was daran liegt, dass diese Patientengruppe aufgrund ihrer Erkrankung zu den immuninkompetenten Patienten gehört. Dies liegt daran, dass ein länger bestehender Diabetes mellitus zu einer Unterdrückung des Immunsystems führt, die eine Verschlechterung der Wundheilungsvorgänge und ein erhöhtes Infektionsrisiko zur Folge hat.
Zudem kommt es bei stetig erhöhten Blutzuckerwerten zu Ablagerung in den Gefäßen der Wunde, was zu einer schlechteren Durchblutung im Wundgebiet führt, wodurch die Heilungsvorgänge zusätzlich verzögert werden.
Chemotherapie/Bestrahlung
Therapien, wie Chemotherapie und/oder Bestrahlung, greifen massiv in den Zellstoffwechsel ein. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Therapie kurativ oder palliativ durchgeführt wird. Insbesondere sich schnell teilende Zellen, zu denen auch die in der Wunde gehören, leiden darunter. Im Zusammenspiel zwischen Chemotherapie und/oder Bestrahlung, wird es immer aufgrund dieser Wirkung zur Verschlechterung der Wundheilung kommen. Zudem wird das Immunsystem durch diese Therapien in Mitleidenschaft gezogen. Das Immunsystem ist jedoch maßgeblich an der Steuerung der Wundheilungsvorgänge beteiligt, sodass es auch aus diesem Grund zur Verschlechterung der Wundverhältnisse bzw. zur Verzögerung bis hin zum Stillstand der Wundheilung kommt.
Compliance/Adhärenz
Die Mitarbeit des Betroffenen ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Wundtherapie. Ohne diese kann keine erfolgreiche Therapie stattfinden, insbesondere wenn es um Kausaltherapien (wie beispielsweise Kompressionstherapie bei der Behandlung eines Ulcus cruris venosum, Druckentlastung beim Dekubitus oder diabetischen Fußulcus) oder um eine Rezidivprophylaxe zur Vermeidung einer neuen Wunde geht.
Deshalb nimmt die Patientenedukation, mit seinen Teilen Beratung, Schulung und Anleitung, einen wichtigen Part in der Wundversorgung ein. Ein Betroffener, der sowohl versteht, wie seine Wunde entstanden ist, als auch den Grund für seine Therapie kennt, kann zum Behandlungserfolg betragen.
Druck
Lokal auf die Wunde ausgeübter Druck, wirkt sich negativ auf die Wundheilung aus. Wie schädigenden die Einwirkung von Druck ist, zeigt sich daran, dass dieser selbst Auslöser für Wunden (Dekubitus, diabetisches Fußulcus) ist.
Wird Druck nicht von einer Wunde genommen, kann es nicht zur Abheilung der Wunde kommen, da das Gewebe immer wieder in Mitleidenschaft gezogen wird. Druckbedingt kann es auch zur Verschlechterung der Wundverhältnisse kommen und sich die Wunde dadurch vergrößern.
Durch die Veränderung der Position lassen sich Folgeschäden durch Druck vermeiden.
Durchblutung
Die Wundheilung ist von einem regulären Sauerstofftransport abhängig. (Hunt et al. 2004) Zu den wichtigsten Faktoren gehören hierbei:
- Hämoglobin
- Arterielle Durchblutung
- Venöser Rückfluss
- Kreislaufaktivität
Eine gute Durchblutung ist für die Wundheilung unerlässlich. Dies gilt sowohl für arterielle wie auch venöse Durchblutungsverhältnisse. Störungen der Blutversorgung, führen zu Wundheilungsverzögerungen.
Bei einer schlechten arteriellen Durchblutung wird das Wundgebiet nicht ausreichend mit den Sauerstoff und den nötigen Nährstoffen für die Wundheilung versorgt. Außerdem besteht ein erhöhtes Risiko für eine Wundinfektion, da durch die mangelhafte Durchblutung auch keine Abwehrzellen in ausreichender Zahl im Wundgebiet vorhanden sind.
Bei einer venösen Rückflussstörungen, die nicht durch eine adäquate Kausaltherapie behoben wird, kommt es zu keiner Abheilung der Wunde, da die Ursache weiter bestehen bleibt.
Ernährung/Flüssigkeitshaushalt
Wundheilungsvorgänge sind solche, die sowohl viel Energie als auch Nährstoffe erfordern. Insbesondere Eiweiß ist ein wichtiger Baustein für die Wundheilung. Deshalb ist es wichtig, einen Ernährungsstatus zu erheben und Defizite, im Rahmen der Möglichkeiten, auszugleichen. Neben Eiweiß sind bestimmte Vitamine und Spurenelemente für die Vorgänge in der Wunde notwendig.
Die Folgen einer Malnutrition für die Wundheilung sind:
- Stagnation der Wundheilung durch Malnutrition
- Vermehrt Wundheilungsstörungen, wie Eiterungen und Dehiszenzen
- Schlecht beherrschbare Wundinfektionen
- Reduktion der Fibroblastenbildung
- Mangelnde Kollagenstabilität → Gewebebrüchigkeit ↑
- Mangelhafte Neoangiogenese
- Schlechter Wundverschluss → Epithelisierung ↓, Narbenbildung ↓
- Verringerte Bildung von Wachstumsfaktoren und sonstiger für die Wundheilung wichtiger Zellen
Nährstoff | Wichtig in der Wundheilung für: |
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Vitamin A |
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Vitamin C (Ascorbinsäure) |
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Vitamin E (Tocopherole) |
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Vitamin K (Phyllochinon) |
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Vitamin B5 (Pantothensäure) |
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Vitamin B6 (Pyridoxin) |
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Vitamin B7 (Biotin) |
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Vitamin B12 (Cobalamin) |
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Folsäure (Vitamin B9) |
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Zink (Zn) |
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Eisen (Fe) |
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Kupfer (Cu) |
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Selen (Se) |
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Silizium (Si) |
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Calcium (Ca) |
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Magnesium (Mg) |
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Proteine |
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Fette |
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Kohlenhydrate |
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Ernährungszustand
Nicht nur kachektische sondern auch adipöse Menschen, können unter einer Malnutrition leiden. Deshalb ist es wichtig, einen Ernährungsstatus (z. B. Bedarfsberechnung, Blutuntersuchung) zu erheben und entsprechend zu handeln.
Kachexie | Adipositas |
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Nährstoffzufuhr
Um den Bedarf an Nährstoffen für die Wundheilung zu decken, ist in der Regel eine erhöhte Zufuhr nötig, insbesondere an Eiweiß, dem wichtigsten Baustein für den Körper. Der Ausgleich muss natürlich unter Berücksichtigung sonstiger Ko-Morbiditäten erfolgen.
Gegebenenfalls muss die Nährstoffzufuhr durch Supplemente, Trink- oder Sondennahrung ausgeglichen werden.
Aufnahme bzw. Angebot ist abhängig von:
- Appetit
- Fähigkeit zur Nährstoffaufnahme
- Resorptionsfähigkeit
Flüssigkeitshaushalt
Flüssigkeit ist bei der Zellneubildung, bei der Zellbewegung und für die Lebensfähigkeit von Zellen unerlässlich.
Da es, insbesondere bei großen Wunden, zu größeren Flüssigkeitsverlusten kommt, muss entsprechend Flüssigkeit zugeführt werden, um die Verluste auszugleichen. Dabei ist auf eventuelle Flüssigkeitsrestriktionen (z. B. bei Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz, Leberinsuffizienz) zu achten.
Bei großen Wunden kann es in der Exsudationsphase zu hohen Flüssigkeitsverlusten (bis 1,5 Liter) kommen, die ausgeglichen werden müssen.
Erhöhte Proteasenaktivität (EPA)
Proteasen sind Enzyme, die Proteine abbauen, indem sie diese in zwei oder mehr Teile aufspalten und somit deren Struktur verändern. Im Heilungsverlauf einer normalen Wunde, haben sie die Aufgabe, den Körper beim Abbau von Proteinen in der Wunde zu unterstützen, z. B. bei der Beseitigung von geschädigtem Gewebe, das bei der Wundentstehung verursacht wurde.
In der physiologischen Wundheilung sorgen Proteasen also dafür, dass Eiweiß von geschädigtem Gewebe abgebaut wird.Nach Entstehung einer Wunde steigt die Proteasen-Aktivität schnell an und nehmen ab dem 5. Tag wieder ab.
Bei chronischen Wunden kommt es vor, dass die Proteasenanzahl und deren Aktivität über das normale Maß hinaus anhält und höhere Werte erreicht. Diese EPA kann zu einer ungezielten Zerstörung von Proteinen führen, die wichtig für die Wundheilung sind, z. B. Wachstumsfaktoren, Rezeptoren usw. Diese anhaltende schädigende Wirkung der Proteasen kann die Entzündungsreaktion und die Freisetzung von schädlichen Sauerstoffspezies weiter stimulieren.
Durch die erhöhte Proteasenaktivität tritt in die Wunde in einen Teufelskreis (Cullen-Kreis) ein, was zu einer Verzögerung oder einem Stillstand der Wundheilung führt.
Gewebeoxygenierung
Alles, was die volle Sauerstoffversorgung beeinträchtigt, beeinträchtigt die Wundheilung:
- Verminderter Gasaustausch (z. B. in der Lunge durch vorbestehende Lungenschäden) = verringerter Sauerstoffgehalt im Blut,
- Zu niedrige Hämoglobinwerte = inadäquaten Sauerstofftransport,
- Niedriger Blutdruck kann oxigeniertes Blut nicht durch die Kapillaren bringen,
- Insuffiziente arterielle und kapillare Versorgung im Wundgebiet.
Jedes dieser Probleme, sowohl einzeln wie auch in Kombination, enthält der Wunde den Sauerstoff für eine erfolgreiche Heilung vor!
Grunderkrankung
Der Einfluss auf die Wundheilung ist abhängig davon, welche Grunderkrankung vorliegt und wie physiologische Vorgänge im Körper gestört sind.
Grunderkrankung = Verursacher eines Wundtyps.
Hemmender Einfluss durch, z. B.:
- Tumore
- Autoimmunkrankheiten
- Infektionen
- Bindegewebserkrankungen (z.B. rheumatischer Formenkreis)
- Stoffwechselerkrankungen (z.B. Diabetes mellitus)
- Gefäßerkrankungen (z.B. pAVK, CVI)
- Genetische Erkrankungen (z.B. Klinefelder Syndrom)
Haustiere
Haustiere stellen oftmals die einzigen Sozialkontakte für den Betroffenen dar und sorgen für Stabilität. Solange hygienische Richtlinien eingehalten werden, müssen Tiere nicht abgegeben werden.
Hygienische Vorgaben sind:
- Während des Verbandswechsels darf sich das Tier nicht im selben Zimmer aufhalten.
- Verbandstoffe müssen unzugänglich aufbewahrt werden (z. B. Plastikbox mit Deckel, in einem Schrank, in einer Schublade).
- Reinigung (Wischdesinfektion) der Ablageflächen vor dem Verbandswechsel
- Regelmäßige Reinigung der Liegeplätze/der Käfige
- Tiere dürfen nicht in den Wunden lecken / mit der Wunde in Kontakt kommen
- Tiere, die nach draußen dürfen, müssen regelmäßig entwurmt werden und frei von Ektoparasiten sein.
Hautzustand
Eine möglichst intakte Haut, ist eine wichtige Voraussetzung für eine gute Epithelisation und Narbenbildung.
Schlecht gepflegte Haut trägt zur schnelleren Entstehung bzw. Vergrößerung einer Wunde bei, ebenso wie Allergien oder Hauterkrankungen vorgeschädigter Haut. Deshalb ist eine gute Hautbeobachtung und eine angepasste Pflege sehr wichtig.
Immunstatus
In der Wundheilung spielen Vorgänge des Immunsystems eine wichtige Rolle. Bestehen hier Defekte oder Beeinträchtigungen (angeboren oder erworben) sowie alters-, therapie- oder krankheitsbedingte Schwächung, führen diese zu einer Infektanfälligkeit, einer mangelhaften Immunantwort auf eingedrungene Keime, schlecht beherrschbaren Wundinfekten und zu einer Verschlechterung der Abheilung der Wunde.
Jede Krankheit oder Medikation, die das Immunsystem unterdrückt oder in Mitleidenschaft zieht, kann die Wundheilung zum Stillstand bringen.
Infektion
Nicht nur lokale, sondern auch systemische Infektionen führen zu Veränderungen der Wundheilungsvorgänge, die in der Regel bei manifesten Infektionen stagnieren.
Erhöhte Keimlast
Bei einer erhöhten Keimlast, kommt es noch zu keiner Ausbildung von Infektionszeichen, allerdings kann die Wundheilung verzögert oder gar zum Erliegen gekommen sein. Dies liegt daran, dass die Anzahl der Keime in der Wunde, den Körper dazu veranlassen, sich auf eine mögliche Infektion zu konzentrieren. Die Ressourcen des Immunsystems sind sozusagen für die potentielle Gefahr einer Wundinfektion gebunden, sodass die Wundheilung im Bezug auf das Immunsystem an die zweite Stelle rückt.
Systemisch
Alle systemischen Infektionen, wie z. B. Atemwegsinfekte, Harnwegsinfektionen usw. beeinflussen die Wundheilung negativ und kann zur Stagnation oder gar zur Verschlechterung der Wundverhältnisse führen, da der Körper mit der Bekämpfung der Infektion beschäftigt ist.
Lokal
Lokale Wundinfektionen behindern die Wundheilung, aufgrund der Bindung des Immunsystems für die Infektbekämpfung.
Maligne Erkrankung/Terminalphase
Bei einer vorliegenden potentiell tödlichen Erkrankung, verschlechtert sich eine Wundheilung, da es bei Fortschreiten zu einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes kommt. Dieser wiederum beeinträchtigt das Immunsystem.
Terminalphase
- Keine Wundheilung mehr möglich.
- Keine ausreichende Gewebedurchblutung mehr.
- In der Regel deutliche Verschlechterung der Wundsituation kurz vor dem Tod.
- Mögliches Auftreten von Kennedy Terminal Ulcers in der Finalphase.
Manipulation
Jede Manipulation in der Wunde birgt das Risiko von:
- Gewebeverletzungen
- Einschleppung von Keimen
- Auskühlung / Austrocknung der Wunde
Medikamente
Verschiedene Medikamente (z. B. Cortison, gerinnungshemmende Medikamente, Zytostatika, Immunsuppressiva) wirken sich negativ auf die Wundheilung aus; entsprechend ihrer Wirkung im Körper, insbesondere die Bildung von Granulationsgewebe und Narben beeinflusst. Maßgebend sind Dosis, Zeitpunkt der Gabe und die Therapiedauer.
Mobilität/Bewegung
Zum einen fördert Bewegung Mobilität und die Durchblutung im Gewebe, wodurch es zu einer Verbesserung der Sauerstoff- und Nährstoffzufuhr kommt.
Gleichzeitig wirkt sich eine Überbelastung durch Bewegung für Wunden negativ aus.
Mobilität fördert:
- Muskeltonus ↑
- Durchblutung des Gewebes ↑
- Zellteilungsrate ↑
- Abtransport von Stoffwechselprodukten↑
- Förderung der Kollateralbildung
Psyche
Eine erfolgreiche Wundbehandlung erfordert ein hohes Maß an Patientenkooperation. Psychische Erkrankungen, Sucherkrankungen und Suchtverhalten sowie Selbstschädigungstendenzen setzen die Kooperation in hohem Maße herab, sodass eine adäquate Therapie oft nicht möglich ist.
Rauchen
Rauchen beeinträchtigt die Wundheilung auf verschiedene Weise. Die im Zigarettenrauch enthaltenen Giftstoffe (Hydrogencyanid, Kohlenmonoxid und Nikotin) haben teilweise zerstörerische Effekte auf die Wundheilungsvorgänge.
- Hydrogencyanid (Blausäure, Cyanwasserstoff) hemmt den Sauerstofftransport.
- Kohlenmonoxid bindet sich an Hämoglobin und verdrängt somit den Sauerstoff.
- Nikotin ist ein sog. Vasokonstriktor, das heißt, es führt zu einer Gefäßverengung.
Schmerz
Schmerz ist eine der größten Stresssituationen für den Körper und führt zur Ausschüttung verschiedener körpereigener, stressbedingter Hormone, z. B. Cortisol und Adrenalin.
Cortisol ist sozusagen das körpereigene Cortison und wirkt sich dämpfend auf das Immunsystem aus.
Adrenalin ist ein Vasokonstriktor und führt zur Verengung von Blutgefäßen, sodass sich die Durchblutung im Wundgebiet verschlechtern kann.
Schmerz führt viele Betroffene in einen Teufelskreis aus physiologischen und psychologischen Folgen.
Wundtemperatur
In der Wunde muss eine bestimmte Temperatur gegeben sein, sodass die Heilungsvorgänge vonstatten gehen können. Liegt die Temperatur unter diesem Bereich, kommt es zur Unterbrechung der Wundheilungsvorgänge.
- Bei Auskühlung kommt es zum Stillstand der Wundheilungsvorgänge für mehrere Stunden.
- Zellaktivität verlangsamt sich, kommt schließlich zum Stillstand, da bei < 28°C weder Mitose noch Zellwanderung möglich sind.
- Immunabwehr in der Wunde geschwächt.
Zellaktivität | Temperatur |
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hoch | 33 - 38°C |
deutlich verringert | < 33°C |
Stillstand | < 28°C |
Re-Erwärmung ca. 1°C pro Stunde!
Zu beachten: Bei jedem Verbandswechsel kommt es zur Auskühlung der Wunde. Deshalb sollte jeder Verbandswechsel so kurz wie möglich gehalten werden.
Eine Überhitzung führt zur Denaturierung von Eiweißen = Zellschädigung (wie im Fall von Verbrennungen/Verbrühungen).
Lokale Faktoren | Systemische & psychosoziale Faktoren |
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Literatur
- Danzer, S. (2019): Wundbeurteilung und Wundbehandlung, 2. Auflage, W. Kohlhammer Verlag
- Danzer, S. (2016): Chronische Wunden - Beurteilung und Behandlung, 4. Auflage, W. Kohlhammer Verlag
- Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) (Hrsg): Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden, 1. Aktualisierung 2015, Hochschule Osnabrück
- AWMF S3-Leitlinie Lokaltherapie chronischer Wunden bei Patienten mit den Risiken periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus, chronisch venöse Insuffizienz, Registernummer 091 - 001